Historisches - Informationen zur Geschichte unseres Ortes

Die Gemeinde Lunzig

Die Historische Lunziger 1000jährige LindeZwölf Kilometer nordwestlich von Greiz, nur wenige Kilometer abseits der Bundesstraße B 92, liegt die kleine Gemeinde Lunzig mit dem Ortsteil Kauern.

Eingebettet in Felder, Wiesen und Wald kann man die Lage als idyllisch bezeichnen. Im näheren Umkreis ist der Lunzigberg mit 386,7 Metern die höchste Erhebung.

Das „Schloss"-Gebäude, ehemaliges Rittergut, später Kammergut, nimmt optisch eine dominante Stellung ein. Der dahinterliegende Schlosshof wurde in den neunziger Jahren neu gestaltet und ist ein Schmuckstück des Dorfes geworden.

Historisches entdecken wir unterhalb des Schlosshofes, etwas abseits der Dorfstraße. Auf einem privaten Grundstück befindet sich ein Bodendenkmal, eine Ringwallanlage aus dem 12./13. Jahrhundert, der „Wal". Auf diesem Wal steht ein Naturdenkmal, eine etwa fünfhundertjährige Eiche.

Botanisch Interessierte können im Innenteil des Walles einen Garten mit vielen interessanten Gehölzen und seltenen Pflanzen besichtigen.

Für Besucher, denen es in Lunzig gefällt, bietet die Gaststätte „Zur Linde" eine gute thüringische Küche.
Wer länger verweilen möchte, kann im Hotel des gleichen Hauses auch ein gut ausgestattetes Hotelzimmer buchen.

Rechts und links der Dorfstraße schmiegen sich die Häuser der Dorfbewohner an den Hang. Die Gestaltung der Vorgärten zeugt von liebevoller und geschmackvoller Pflege.

Die jüngsten Dorbewohner werden im neu rekonstruierten und landschaftlich reizvoll gelegenen Kindergarten betreut. Auch Eltern aus den umliegenden Dörfern bringen ihre Sprösslinge hierher.

Im Talgrund Lunzigs fließt der Kühbach. Am Kühbach-Mühlgraben kann der Wanderer noch ein altes Wasserrad der Lunzigmühle besichtigen.

Eingebettet in das Tal und umgeben von Wald und Wiesen befindet sich die Leuba-Talsperre.
Sie wird vom Wasser des Kühbachs und der Leuba gespeist.
Auf Wanderungen rund um die Talsperre finden Spaziergänger Entspannung und Erholung. Für Naturfreunde ist die Umgebung von Lunzig und Kauern ein lohnendes Wanderziel. In den Sommer-
monaten tummeln sich an heißen Tagen hunderte von Badegästen an den Ausläufern der Talsperre.

Einmal im Jahr ist in unserem kleinen Dorf Hochbetrieb. Tausende Besucher aus nah und fern treffen sich zum letzten Juliwochenende zum traditionellen „Lunziger Bauern- und Trödelmarkt".

Im Ort ansässige Handwerker, wie die Zimmerei Pensold, die Tischlerei Schmidt, der Waagenbauer Schmutzler, und der landwirtschaftliche Betrieb Drechsler tragen zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei.

Die Lunziger Linde

Die Lunziger Linde

Linde 1945 Bild JNoll

 
Viele Jahrhunderte war die „Lunziger Linde" das Wahrzeichen des Ortes. Im Volksmund sprach man von der „Tausendjährigen Linde". Ihr genaues Alter war nicht auszumachen. Sommerhitze und die Kälte des Winters, Dürre und Nässe hatten den Stamm ausgehöhlt und durch Blitzschlag wurde er mehrfach gespalten. Starke Eisenbänder umschlossen den Stamm. Trotz alledem hatte die Linde sich ihre unversiegbar scheinende Lebenskraft bewahrt. Jahr für Jahr überwölbte eine 25 Meter hohe Laubkrone den rissigen Stamm.

Linde Leiterwagen JNoll

Einzelne von ihm abgespaltene Partien hatten sich wieder wie zu einzelnen Stämmen gerundet und geschlossen. Im Innern des Stammes fanden ein Tisch und Stühle Platz. Wer den weit und breit bekannten „Lunziger Markt" besuchte, musste auch einmal in der Linde eine Stärkung zu sich genommen haben.

1940 wurde die Linde unter Naturschutz gestellt.
Seit dem 22. Februar 1945 gibt es sie nicht mehr. Sie fiel einem anglo-amerikanischen Bombenangriff zum Opfer. Mit ihr wurden der Gasthof und die Schmiede dem Erdboden gleichgemacht. In den Trümmern starben 11 unschuldige Menschen.

Linde Bombenabwurf 1945 JNoll

In einer Aufzeichnung von Prof. Ludwig zur Landeskunde von Greiz und Umgebung wird 1895 die Lunziger Linde in der Monatsschrift „Unser Vogtland" als alter und bemerkenswerter Baum benannt.
Er schreibt: Die große hohle Linde hat einen Stammumfang von 10 Metern. In der Höhlung fand ein Lehrer
mit 24 Quartanern genügend Raum..

Bereits im 17. Jahrhundert fand jährlich der vielbesuchte Lunziger Markt auf dem Platz um die Linde herum statt.

Gewiss ist, dass sie schon auf diesem Grund und Boden gestanden hat, als die „Herren Töpffer auf Lunzig" hier Rittergutsbesitzer waren.

Das Herrenhaus des oberen Lunziger Rittergutes - erbaut 1662

Eine alte Aufnahme vom Schlosshof auf die Rückseite des Lunziger RittergutesWer Lunzig besucht, dem entgeht nicht das größte Gebäude des kleinen Ortes. Es ist das Herrenhaus des ehemaligen oberen Rittergutes, 17 mal 17 Meter breit und 14 Meter hoch. Die Lunziger nennen es "Schloss".

Bis vor wenigen Wochen konnte die Frage nach der Zeit seiner Entstehung oder gar die Frage nach dem Jahr seiner Erbauung nicht beantwortet werden. Im Thüringischen Staatsarchiv Greiz gibt es viele Akten und Urkunden über die wechselvolle Geschichte der beiden Lunziger Rittergüter. 

Dr. Herbert Hüllemann hat in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in einer umfangreichen Arbeit die Geschichte der Rittergüter Reuß älterer Linie zusammengefasst und Auszuge aus den Akten in eine moderne Schreibweise übertragen. Konkrete Aussagen über einen Bau, über den Kauf von Baumaterialien oder über etwaige Baurechnungen waren bisher nicht bekannt.
Seit Dezember 2003 können exakte Aussagen zum Baujahr gemacht werden. Im Folgenden soll geschildert werden, warum.

Nach einer Objektbegehung im Herbst 2002 durch leitende Mitarbeiter des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege Erfurt wurde die Denkmaleigenschaft des ehemaligen Rittergutes Lunzig bestätigt.
In Abstimmung mit der Unteren Denkmalschutzbehörde Greiz erfolgte daraufhin die Auftragserteilung an das "Büro für Bauforschung Scherf-Bolze-Ludwig" in Silbitz. Der Auftrag lautete "Bauhistorische Untersuchung des baulichen Bestandes des Herrenhauses zu Lunzig".

Am 12. und 13. November 2003 wurde durch Herrn Scherf und der Bauzeichnerin, Frau Mölle, diese Untersuchung durchgeführt. Vom Erdgeschoss bis ins zweite Dachgeschoss wurden zahlreiche Details fotografiert, gemessen und gezeichnet. Sehr interessant und aufschlussreich war die Entnahme von 5 Bohrkernen aus den Balken der einzelnen Stockwerke. Deutlich konnte man die Jahresringe erkennen. 

Mittels dieser Bohrkerne sollte eine dendrochronologische Altersbestimmung der Balken vorgenommen werden (dendron [griech.] = Baum). Bei dieser Entnahme kam es darauf an, dass an dem Bohrkern des ehemaligen Baumstammes der letzte Jahresring und das Kambium noch vorhanden waren. Kambium, das ist die letzte Schicht unter der Rinde, die von den Holzexperten als "Waldkante" bezeichnet wird. Durch langjährige Erfahrung erkannte Herr Scherf am Geruch des Holzes, dass die Balken von Tannen stammen. Dieser Geruch ist leicht säuerlich, wie Brotteig. Dass diese erste Beurteilung stimmte, bestätigte die mikroskopische Untersuchung in einem "Dendrochronologischen Jahresringlabor", welches mit der Universität Stuttgart-Hohenheim zusammenarbeitet. Übrigens, alle Balken des Gebäudes sind bebeilt (mit dem Beil bearbeitet) und zum Teil glatt geraspelt, also nicht mit der Säge bearbeitet. 

Ohne auf die vielseitigen Vergleichsuntersuchungen und Berechnungen der Proben mit der Süddeutschen, der Franken und der Thüringischen Tannen-Regionalchronologie einzugehen, soll nachfolgend auf das erreichte Ergebnis eingegangen werden. 

Die beiden Proben aus den Deckenbalken im Erdgeschoss und dem 1. Obergeschoss datieren einheitlich eine Winterfällung 1661/1662. Die drei Proben der oberen Geschossbereiche datieren einheitlich eine Winterfällung 1706/1707. Die Bäume wurden im gleichen Jahr verarbeitet und verbaut, im welchem sie gefallt wurden. 
Anhand der Zahl der Jahresringe wurde festgestellt, dass die älteste Tanne (der 5 Proben) 94 Jahre alt war, als sie gefällt wurde. 
Herr Scherf war bei der ersten baulichen Beurteilung davon ausgegangen, dass die regelmäßige Anlage aller Raumachsen auf einen einheitlichen Bau schließen ließ. Erst im Rahmen der weiteren Untersuchungen und der dendrochronologischen Jahresringvergleiche wurde festgestellt, dass das 2. Obergeschoss und auch das Dach eine bauliche Erweiterung des 18. Jahrhunderts (1707) darstellen. In diesem Jahr wurde auch der Mittelrisalit auf der Hofseite erbaut. 

Zahlreiche Details in den Räumen des Erdgeschosses und im 1. Obergeschoss (Rahmenfüllungstüren mit Blattverbindungen, Rauchfanggewölbe für eine ehemals offene Rauchführung, eine "schwarze Küche"...) lassen sich stilistisch der Bauzeit um 1662 zuordnen. Dazu zählen auch die S-Bänder der Barockzeit, wie es die Abbildung 5 zeigt. 
Herr Scherf ist der Meinung, dass das Gebäude von Grund auf neu errichtet und nicht auf einen Vorgängerbau erbaut wurde. Das bedeutet, dass das "Obere Rittergut" vorher einen anderen Standort gehabt haben muss.
Einer der vielen bauhistorischen Befunde stellt zum Beispiel die Veränderung des oberen Dachabschlusses dar. Vermutlich wurde in der Zeit um 1900 eine Einkürzung des Daches vorgenommen und ein Austritt auf eine Art Flachdach errichtet. Dieses sicherte man mit einem Metallgeländer ab. Von dieser Plattform hat man eine sehr gute Aussicht auf die Umgebung.

Ansicht des Lunziger Rittergutes von der Strasse aus (2011)Die Erarbeitung dieser bauhistorischen Dokumentation findet in gewisser Hinsicht eine historische Bestätigung in Gutsakten von 1657. Hier handelt es sich um eine Beschwerdeschrift an den damaligen Gutsbesitzer Wolf David von Raschau. Unter Punkt 4 beschweren sich die neun zum "Oberen Rittergut" gehörenden Fröner wie folgt (s. Hüllemann S. 841):
"Wenn sie auch die Baufronen zum Rittergut zu leisten hätten, so könne man dies doch unmöglich ausschließlich von ihnen verlangen, wenn das ganze Rittergut vollkommen gebaut würde." Offensichtlich dauerte dieser Streit bis 1662 an, denn Wolf David von Raschau bittet die Regierung im Februar 1662 die Sache endlich zu klären. Weitere Akten hierzu sind nicht bekannt. Das Herrenhaus ist trotz des Streits erbaut worden.

In der Mitte des 17. Jahrhunderts gab es auch in anderen Orten eine ziemlich rege Bautätigkeit, obwohl die finanziellen Mittel knapp waren. So mussten unter anderem die Bauwerke, die im 30jährigen Krieg zerstört wurden, wieder aufgebaut werden, wie z. B. die Osterburg (1633 zerstört - 1667 wieder errichtet). In Greiz begann man 1661 das Gelände der "Leimgrube" (heutige Lehmgrube) zu bebauen.
Nachdem nun bekannt ist, wann das Lunziger obere Rittergutsgebäude erbaut wurde, ergibt sich die Frage, an welchem Standort befand sich das "Obere Rittergut" vorher ?

Lienhard Noll, Lunzig

Quellenangaben:
* Büro für Bauforschung Silbitz
* Hüllemann "Die Geschichte der Rittergüter in Reuß älterer Linie"